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Mircro Adventures Portugal

Sherry, sherry, Portugal.

Herbst in Deutschland, Sommer in Portugal. Super spontan und auf den allerletzten Drücker entschied ich mich für einen Abstecher nach Portugal. Ein mir bislang unbekannter Fleck auf der Landkarte. Diesmal nicht nur zum Radfahren. Wer mich etwas besser kennt weiß aber, dass bei mir so ziemlich jeder Ausflug in Verbindung mit dem Fahrrad steht.
Obwohl die Zeit zum planen knapp bemessen war, kristallisierte sich schnelle eine Idee heraus:

Herbst in Deutschland, Sommer in Portugal. Super spontan und auf den allerletzten Drücker entschied ich mich für einen Abstecher nach Portugal. Ein mir bislang unbekannter Fleck auf der Landkarte. Diesmal nicht nur zum Radfahren. Wer mich etwas besser kennt weiß aber, dass bei mir so ziemlich jeder Ausflug in Verbindung mit dem Fahrrad steht.
Obwohl die Zeit zum planen knapp bemessen war, kristallisierte sich schnelle eine Idee heraus: Weil ich die Reise mit einer Freundin unternehmen würde, galt es die Logistik auszuklügeln, um eine schöne, aber auch vielfältige Route zu erstellen. Ich wählte Lissabon als Start- und das nördlich gelegene Porto als Zielort. Dort würde ich dann meine Freundin treffen, um dann in umgekehrter Richtung und mit einem Mietwagen Stück für Stück und mit einigen Abstechern entlang des Weges zurück zu fahren.
Start und Ziel waren gewählt, allerdings haderte ich noch mit der Entscheidung, ob ich entlang der Küste oder durch das Landesinnere fahren sollte. Ich entschied mich weitest gehend abseits der touristischen Pfade zu bewegen und entschloss mich für letzteres.

Mitten in der Nacht erreichte ich den Lissaboner Flughafen. Die Zeit bis zum Morgengrauen wollte ich schlafend am oder genauer gesagt im Flughafen verbringen. Nachdem ich meine Radkiste entgegen genommen hatte, verkroch ich mich in einer möglichst dunklen Ecke hinter einem Gepäckband.
Wenn man übermüdet einen Schlafplatz wählt, kommt dabei selten Gutes heraus. Zumal Flughäfen allgemein nicht der beste Ort für ein Nickerchen sind. Sobald ich mich auf meine Isomatte gebettet und in meinen Schlafsack gekuschelt hatte, schien meine anfangs für ruhig empfundene Umgebung zum Leben zu erwachen:
Flughafenpersonal schrien vom einen Ende des Flughafens zum anderen, die Putzfrau kam auf den Plan und telefonierte über den Lärm ihres ohnehin lauten Reinigungsgeräts, und schließlich wurde ich von ihrem Kollegen beinahe über den Haufen gefahren. Der war ebenfalls auf einer lärmenden Maschine unterwegs und schenkte seiner durch einen schlafenden Radreisenden behinderten Reinigungsroute gefährlich wenig Aufmerksamkeit.

Viel entscheidender als all das war aber, dass mich niemand wegschickte. Von wirklicher Erholung konnte man aber auch nicht sprechen. Irgendwann gewann die Aufregung vor einem neuen Abenteuer die Überhand über die Müdigkeit und ich bewegte mich in Richtung der Eingangshalle. Draußen war es noch immer stockfinster. Zeit zum frühstücken und Leute gucken. Zwischendurch spähte ich immer wieder durch die verglaste Außenwand, in der Hoffnung Anzeichen der Dämmerung zu sehen.

Irgendwann hatte ich keine Lust mehr zu warten und machte mich auf den Weg. Immerhin hatte ich ja ein Rücklicht und das gelb-orangene Licht der Straßenlaternen reichten aus, um durch die noch ruhigen Industrie- und Gewerbegebietsstraßen zu navigieren.

Auf einer Anhöhe eröffnete sich mir der Blick in die Ferne und ich durfte die weichen Farbtöne des bevorstehenden Sonnenaufgangs bewundern. Das Gefühl mit dem Fahrrad in den Sonnenaufgang zu fahren ist immer wieder unbeschreiblich schön.

Während ich durch die leeren Straßen der Lissaboner Vororte fuhr, versammelte sich die arbeitende Bevölkerung an den Bushaltestellen und umklammerte dabei den wärmenden Morgenkaffee. Die Luft war frisch und kühl und ich wünschte mir auch einen wärmenden Kaffee. Aber hauptsächlich zum wärmen meiner Hände, denn ich hatte keine Handschuhe mitgebracht.

In dem Moment als mich die ersten direkten Sonnenstrahlen erreichten, war jeder Gedanke an Handschuhe vergessen. In diesen Breitengraden herrschte noch spürbar der Spätsommer.

Die Abstände zwischen den Ortschaften wurden größer. Dazwischen lag eine wortwörtlich bunte Mischung aus Weingütern, Pinien- und Eukalyptuswäldern. Es war ein Fest für die Sinne: Die Weinreben erstrahlten im goldenen Morgenlicht in den allerschönsten Herbstfarben und Pinien und Eukalyptus versprühten ihren würzig-frischen Duft, während die Blätter im Wind raschelten. Der Duft und der Anblick der Eukalyptusbäume erinnerte mich umgehend an meine zahlreichen Touren in Australien.

Eine malerisch gelegene Parkbank markierte meinen ersten Pausenstopp. Der war auch hart verdient: Nur wenige Meter vorher machte ich einmal mehr Bekanntschaft mit dem Asphalt. Auf einer steilen Rampe sprang meine Kette runter, ich kam nicht aus den Klickpedalen und fiel stehend um. Es war nicht das erste und wahrscheinlich auch nicht das letzte mal. Leider ändert das auch nichts an dem schrecklich dämlichen Gefühl, wenn man realisiert, dass man gleich zur Seite kippt. Zwar läuft das innerhalb weniger Sekunden ab, gefühlt vergeht aber eine Ewigkeit bis man irgendwann unangenehm den Boden berührt. Das wichtigste ist immer: Nichts passiert, Fahrer und Fahrrad sind mit einem Kratzer davongekommen und keiner hat´s gesehen!

In Obidos wagte ich einen Abstecher in die von Menschen überfüllten, aber wunderschönen, schmalen Gassen. Am Fuße der Festungsmauern und abseits des Touristentrubels suchte ich ein unscheinbares Café auf. Als einziger Ausländer und obendrein in meiner Radfahrmontur, zog ich die Blicke aller Anwesenden auf mich.
Nach ein paar gestammelten Worten portugiesisch und wildem gestikulieren, bekam ich ein Käse-Schinken-Brot, ein Reisküchlein, ein kühles, alkoholfreies Bier und den obligatorischen Kaffee serviert. Café in Portugal ist äquivalent mit dem Caffé in Italien: Also Espresso.

Es war Nachmittag und die Sonne ballerte nur so vom Himmel. Zunehmend steile Anstiege brachten mich noch mehr ins Schwitzen. In einem Einkaufszentrum nahm ich einen weiteren Kaffee ein und kaufte mein Abendessen ein. Gegen fünf Uhr war ich hundemüde aber umso glücklicher von diesem ersten Radfahrtag in einem unbekannten Land. Trotz zahlreicher Touren schaffe ich es doch hin und wieder wichtige Dinge meiner Ausrüstung zu vergessen. Diesmal war es das Besteck. So verspeiste ich mein Abendessen mit behelfsmäßigen Esswerkzeugen und meinen Händen. Ich bestaunte die zunehmende Mondsichel und sah zu wie sich der Horizont langsam vom Roten ins Blaue verfärbte.

Die erste Nacht im Zelt war lang und ich wachte erst gegen 8 Uhr auf, was für meine Verhältnisse spät ist. Nach einer knappen Stunde Fahrt kehrte ich für einen Morgenkaffee ein. Ab und zu gibt es Tage an denen man das Gefühl hat man käme nicht vom Fleck. Das war ganz sicher einer davon. Ich fühlte mich gut und das Fahren machte Spaß, aber aus verschiedenen Gründen kam kein richtiger Fluss auf und ich musste immer wieder anhalten. Fotos schießen, Essen kaufen, die Karte lesen, Kleidung ablegen und verstauen und so fort.

Kleine Dörfer mit den landestypisch bunt befließten Hausfasaden und weißen Kapellen wechselten sich mit Abschnitten von Eukalyptuswäldern ab. Im vergangenen Sommer wurde Portugal von heftigen Waldbränden heimgesucht. Immer wieder durchfuhr ich noch schwelende Brandschauplätze. Auch das erinnerte mich wieder an Australien.

Die aufmerksamen Wachhunde beließen es beim Bellen und nahmen nicht, wie sonst häufig, die Verfolgung auf. In der schönen Universitätsstadt Coimbra musste ich in sengender Nachmittagshitze 20 prozentige Rampen bezwingen. Danach galt es im schnell schwindenden Tageslicht Abendessen aufzutreiben und einen Schlafplatz zu finden. Da ich mich noch im Stadtgebiet befand bangte ich darum rechtzeitig ein ruhiges Plätzchen zu finden. Aber ein kleines Waldstück auf den Hügeln über der Stadt verhalf mir zu der wohlverdienten Nachtruhe.

Ich stellte mein Zelt auf, während die Sonne einmal mehr ihr phänomenales Farbenspiel in den Abendhimmel projezierte. Aus den umliegenden Tälern drang das Geläute der vielen kleinen Kirchen heran, durchmischt vom weniger melodischen Hundegebell. Erschlagen, glücklich und mit Vorfreude auf den dritten Radfahrtag fiel ich in einen tiefen Schlaf.

Der nächste Morgen war frisch. Über abermals steile Gassen sauste ich hinab zum Fluss Mondego, der eindrucksvoll von Nebelbänken bedeckt war. Durch das Gewässer war es tatsächlich merklich kühler. Auf den nachfolgenden Anstiegen konnte ich mich aber schneller als mir lieb war wieder aufwärmen.

Anfangs rollte es wunderbar über die angenehm zu fahrenden Hügel. Später wartete ein längerer Anstieg auf mich, der typischerweise steil und unrhythmisch daherkam. Für die knapp 600 Höhenmeter benötigte ich eine gute Stunde in der ich nicht ein Auto sah.

Zum Abend hin wurde ich abermals geprüft. Kaum Einkaufsmöglichkeiten und steile Rampen. Es war eine Kopie des Vorabends. Diesmal war es bereits düster, als ich mich mit einer letzten Anstrengung in Büsche schlug. Und zwar wortwörtlich. Neben meinem Besteck hatte ich auch keine Kopflampe dabei. Die harmlosen Büschlein entpuppten sich als blutrünstige Dornensträucher. Es floss Blut, aber nichts was nicht mit wüsten Beschimpfungen und ein paar Pflastern (zum Glück hatte ich daran gedacht!) gefixt werden konnte. Nicht mehr weit bis Porto.

Der letzte Radfahrtag bringt immer eine besondere Mischung an Gefühlen mit sich. Da ist zu aller erst die Vorfreude die sich selbst gestellte Herausforderung gemeistert und das Ziel erreicht zu haben. Gleichzeitig verspürt man ein Wehmut, dass ein so schönes Kapitel zu Ende geht und man würde lieber noch etwas unterwegs sein. Diese Gefühlslagen zeigen mir aber immer wieder auf, was ich an dieser Art des Reisens so sehr liebe. Fremde Orte, die Natur, die Gewissheit, dass auf anstrengende Momente immer wieder schöne Dinge folgen (immer!), die Interaktion mit Einheimischen, die Pausen, die verschiedenen Tagesstimmungen und unzählige andere kleine Dinge, die ich in meinem Alltag sonst nur selten wahrnehme. Ich liebe es wie so eine Reise, und sei sie noch so kurz, im Alltag nachhallt und manchmal sogar erst im Nachgang ihre positive Wirkung entfaltet. In meinen Tagebüchern zu lesen, die Bilder anzuschauen und dann nochmal darüber zu schreiben ist dann beinahe so, als wäre ich nochmal unterwegs. Ich hoffe das du als Leser einen kleinen Teil mitnehmen kannst und sich auch in deinen Tag überträgt.

Kaffee mit Einheimischen, kleiner Supermarkt und Zelt trocknen vor Porto. Schwimmbad, Dusche, Bier, Kaffee, Sandwich, Parkbank, alter Mann.

Die letzten Meter nach Porto ging es häufig über Kopfsteinpflaster. So als wolle mir die Stadt wachrütteln und zeigen, dass ich tatsächlich da war. In Portugal. Im Herbst.