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Las Vegas - Houston USA

Hawaii, Bachelorarbeit und unangenehme Begegnungen mit der amerikanischen Polizei.

Zwei Wochen auf Hawaii sind bereits vergangen. Obwohl das Leben auf den Inseln seinen ganz eigenen Rhythmus zu haben scheint, vergeht die Zeit wie im Flug. In diesem Beitrag werde ich schildern, wie ich überhaupt im Paradies gelandet bin.

Die vergangenen fünf Monate habe ich im kanadischen Yukon Territory als Kanu-Führer auf dem Yukon, Big Salmon und Takhini gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir niemals träumen lassen, dass ich nur kurze Zeit später das traumhafte Leben hier genießen würde. Zum Glück befinde ich mich auf der ständigen Suche nach dem nächsten Abenteuer und so habe ich verschiedenste Optionen durchgespielt:
Bevor es in die Wildnis des Yukon ging, habe ich es mir natürlich nicht entgehen lassen noch eine kleine Radtour in der Nähe meines zukünftigen Arbeitsplatzes zu unternehmen. Gerne wäre ich den Pacific Coast Highway von San Diego Richtung Norden gefahren. Diesen Plan habe ich aber aus vielerlei Hinsicht verworfen.

Zum einen ist die Hauptwindrichtung bei guter Wetterlage Nord-West (während der Wind bei schlechten Bedingungen aus südlicher Richtung bläst), zum anderen fährt man dann auf der Meer-fernen Seite der Straße, was meiner Meinung nach völlig Banane ist.

In Kanada selbst eine Tour zu unternehmen stand aufgrund der Jahreszeit ohnehin außer Frage. Schließlich fiel die Wahl auf die Southern Tier Route, die über 3000 Meilen von San Diego, Kalifornien nach St. Augustine im Staate Florida führt. Das war nicht mehr ganz in der Nähe, aber ich bin einfach nicht so dicke mit kalten Bedingungen.

Auch an dieser Route habe ich aufgrund preislicher Vorteile ein paar Änderungen vorgenommen. Der günstigste Flug von Frankfurt ging nach Las Vegas. Also ab in das Spieler-Eldorado.

Natürlich musste ich auch irgendwie weiter nach Whitehorse, meinem zukünftigen Arbeitsplatz. Die beste (=billig) Flugverbindung ging von Miami . Done Deal, dachte ich mir. Welche Orte eignen sich wohl besser, als Las Vegas und Miami. Von der Wüste ins Tropenklima. Natürlich wusste ich auch, dass diese Distanz etwas über meinen Fähigkeiten liegen könnte, zumal ich meine Bachelorarbeit noch fertigstellen musste. Aber irgendwie würde das schon gehen…
Ab nach Las Vegas also. Kitschiger, verspielter und übertriebener amerikanische geht es wohl nicht. Das Disneyland für Erwachsene. Selbst ich als Großstädter, der schon in vielen Metropolen der Welt unterwegs war, erlitt einen wahrlichen Kulturschock. Dennoch muss ich sagen, dass man unbedingt einmal dagewesen sein muss. Auf jeden Fall muss ich nochmal mit etwas Taschengeld und Freunden nach Las Vegas (Vielleicht heiratet bald mal jemand?! – Hangover-Style).

Drei Tage lang habe ich es mir auf die amerikanische Art richtig gut gehen lassen. Mit allem was dazugehört. Das heißt für mich vor allem die lokalen Köstlichkeiten zu probieren. Süß und fettig und salzig = lecker. Schließlich muss man als Radreisender seine Energiereserven auffüllen.
Ich bin Motel 6 untergekommen. Mit benachbartem Diner, bei dem ich mir lecker Frühstückchen gegönnt habe. Ich liebe Kaffee, was einem hier zum Verhängnis werden kann, da die aufgeweckten Bedienungen nach jedem Schluck nachschenken. Ganz nach dem Motto: All you can drink. Dazu eine ordentliche Ladung in Sirup getränkte Pancakes und ab geht die wilde Fahrt.

Wenn man so eine Tour vorhat, ist es allerdings besser, wenn man an einem Ort startet, an dem sich nicht alles um saufen, Party und Glücksspiel dreht. Umso besser, dass ich rechtzeitig den Absprung geschafft habe. Nach einem weiteren Power-Frühstück mit Pancakes, Bacon und Eggs und viel Kaffee ging es los.

Zunächst muss man sich aus der Stadt und den Vororten herausnavigieren. Da kann es schonmal passieren, dass man sich verfährt (vor allem, wenn man keine Karte hat). Manchmal lässt mich mein fotografisches Gedächtnis eben doch im Stich.

So durfte ich erstmal Bekanntschaft mit dem Gesetz machen. Irgendwie bin ich auf dem Freeway gelandet. Das hat dem Police Officer natürlich nicht so gut gefallen (O-Ton: „You are violating the law“ – Du verstößt gegen das Gesetz). So hatte ich für die nächsten 5 Minuten mein eigenes Begleitfahrzeug. Und das hatte sogar Blaulicht. WGIDD.

Sobald man endlich die Stadtgrenzen und Vororte hinter sich gelassen hat, gibt es nur noch Straße und Wüste. Viel Sonne und kein Schatten. Genau mein Ding. Ein entgegenkommender Radfahrer, der sich auf einem kleinen Ausritt befand, antwortete auf meine Frage nach Tankstellen oder Ähnlichem nur: „There is nothin‘“ –Da gibts nix. Genau das ist das schöne an Wüsten und dergleichen, so findet man immer einen Campspot und es gibt niemanden, der einen stört.

Mit kräftigem Rückenwind ging es in südlicher Richtung auf dem Highway 95 durch die Mojave-Wüste und entlang des Colorado-River zwischen Kalifornien und Arizona hindurch. Von der 95 ging es auf die 72 und dann den Interstate 10, der mich in östlicher Richtung nach Phoenix brachte. Mittlerweile hatte ich eine halbwegs gute Karte am Start, welche mich jedoch nicht vor dem Verkehrsdesaster in Phoenix bewahren konnte.
Irgendwie landete ich am Flughafen. So ziemlich die verkehrsreichste Gegend in die man sich als Radfahrer verirren kann. Hier überwand ich meinen Ehrgeiz und Radfahrerstolz und stieg in ein Hotelshuttle zum Motel. Entkräftet und Sonnenverbrand nach diesem harten Tag war eine Dusche und ein Bett höchst verdient und willkommen.

Sobald man sich durch Phoenix hindurchgeradelt hat, wofür ich wärmstens die Karten der Adventure Cycling Association empfehlen kann, wird man wieder mit einer wundervollen Landschaft belohnt. Wahrlich der wilde Westen: Rote Felsen, Schluchten und Kakteen soweit das Auge reicht. Dazu präsentierte sich der Frühling in seiner vollen Pracht. Gelbe, lila und rote Blüten sprenkelten die karge Wüstenlandschaft mit Farbe.

In Oak Flats machte ich Halt auf einem öffentlichen Campingplatz, wo ich mir die besten Nachbarn überhaupt aussuchte. Ich wurde prompt zum Abendessen eingeladen und mit noch mehr Reiseproviant versorgt. Schon habe ich das auf meinen Reisen erlebt, aber an sowas gewöhnt man sich einfach nicht. Jedes Mal aufs Neue ist es wunderbar neue Menschen kennenzulernen während man eine gemeinsame Mahlzeit teilt.

Das ältere Paar aus Wisconsin hat richtiges Cowboy-Essen am Start: Chilli mit Sourcream, Cheddar und selbstgebackenem Maisbrot. Stilecht am Lagerfeuer versteht sich. Eine weitere Essensanekdote ereignete sich wenige Tage später auf einem anderen Campingplatz. Nachdem ich bereits vom Zähne putzen zurückkam und eigentlich schon absolut vollgefuttert war, fand ich auf dem Picknicktisch neben meinem Zelt einen Teller mit einem fetten Stück Torte und Cookies.

Stetig bergan nahm ich dann die Staatsgrenze zu New Mexico in Angriff. Durch die Wüste. Auf dem Gipfel angekommen änderte sich die Landschaft komplett. Plötzlich war ich umgeben von einem saftig grünen Pinienwald. Ich wartete nur darauf von einem Bär begrüßt zu werden. Das sollte aber noch bis zu meiner Reise in den Yukon dauern. Auf den Nadelwald folgte weite Weidelandschaft und Felder.

Mein erster Stop in New Mexico war der „Last Chance Liqour Shop“ in Buckhorn, wo ich mir anstatt eines Biers lieber eine eiskalte Cola habe schmecken lassen, während ich mich mit der Ladenbesitzerin, einer waschechten Südstaaten-Oma, über den Drogenkrieg an der mexikanisch-amerikanischen Grenze unterhielt.

Wenige Meter weiter traf ich dann Uschi und Walter. Natürlich aus Deutschland. Die zwei waren auch schon überall und sind immer mit dem Tandem unterwegs. Die Zwei sollten mir noch des Öfteren begegnen.
Den höchsten Punkt meiner Reise erreichte ich mit Überquerung des Emory Pass auf 8260 ft (= 2517 Meter). Bewerkstelligen konnte ich diese Kletterpartie nur durch mein vorabendliches Dessert. Ich nenne es das Pop-Tart-Inferno.

Die verbrauchte Energie musste natürlich wieder aufgetankt werden. Nach der langen Abfahrt fand ich in Hillsboro ein gemütliches Café mit den besten Pancakes der gesamten Tour. Und glaubt mir ich weiß wovon ich rede.

Mit Querung der texanischen Grenze wandelte sich die Landschaft langsam, aber sicher wieder in Wüste. Den letzten dicken Brocken erstrampelte ich mir mit dem Guadalupe Mountain. Der einzige Grund der mich dieses Monster bezwingen ließ war der Campingplatz oben. Ohne wirkliche Essensreserven konnte ich mal wieder von Glück sprechen, dass es so viele herzliche Menschen auf diesem Planeten gibt. Eine nette Dame brachte mir ein zünftiges Essenspaket an mein Lager.

War da nicht auch was mit Bachelorarbeit? Achja. Vor meiner Abreise in die Staaten gab es viel zu organisieren. Vielleicht die Hälfte habe ich gebacken bekommen und ohne die Geduld und Entspanntheit meines Mitbewohners wäre es nie etwas mit dieser Reise geworden. Die Hauptpriorität lag in der Fertigstellung meiner Bachelorarbeit. Beinahe rund um die Uhr verbrachte ich vor dem PC.

Als der Tag der Abreise langsam aber sicher näher rückte, war klar, dass mein Anspruch an die Arbeit höher war, als ich in der mir verbleibenden Zeit tatsächlich gerecht werden konnte. Ich hatte meine Inhalte, aber die Feinarbeiten zum Ende der Arbeit nehmen doch deutlich mehr Zeit in Anspruch, als man denkt.

Für den ersten Teil meiner Reise musste ich den Stress der vergangenen Wochen erstmal sacken lassen und beschäftigte mich nicht mit der Bachelorarbeit. Nun war ich wieder in dichter besiedelten Landstrichen unterwegs und konnte die kleinen, aber feinen Bibliotheken in Anspruch nehmen (ich hatte nur meinen USB-Stick).Das schöne an dieser Art des Arbeitens war, dass mir auf dem Rad so viele Formulierungen und neue Ideen für die Arbeit eingefallen sind, dass ich ganze Kapitel neu geschrieben, umformuliert und hinzugefügt habe. Der Nachteil daran war, dass ich mich noch wesentlich länger mit der Arbeit aufhielt, als ich tatsächlich wollte.

Somit benötigte es noch viele Seiten meines Notizbuchs und schließlich den Kauf eines Laptops in Miami, um die Arbeit erfolgreich und entsprechend meines Anspruchs fertigzustellen. Danke an alle Bibliotheken entlang der Strecke und deren hilfreiches Personal: Alpine, Bastrop, Blanco, Camp Wood, Comfort, Del Rio, Dryden, Humble, Kerrville, Kyle, Lockhart, Marathon, Marfa (vielleicht kennt jemand den Film “No Country for old men”), Miami, Navasota, Real County und Sanderson, Wimberly.

Nach einem harten Tag auf dem Rad oder in der Bibliothek, muss man sich natürlich belohnen. Was gibt es das besseres als ein kühles Bier. Als Liebhaber des leckeren Gerstensaftgetränks, trinke ich am liebsten lokale Biere. In Texas habe ich Shiner und Ziegenbock entdeckt (die Amerikaner sprechen es „Siggenbock“ aus, das Bier wird in Houston gebraut und ist nur in Texas erhältlich. Motto: “Brewed in Texas, Made only for Texans”). Dazu ein paar Erdnüsse und der Tagesabschluss ist perfekt.

Einer der schönsten Abschnitte meiner Reise war das texanische Hügelland (Hill Country) im Herzen des größten Bundesstaates der USA. Der Frühling entfaltete sich hier in seiner vollen Pracht. Zwischen grünen Wiesen, übersäht von Blumen in allen Farben, schlängelt sich die Straße gen Osten.

Habe ich schon erwähnt wie schlecht die Straßen hier sein können? Das ist wirklich der einzige Minuspunkt dieser Route. Die Asphaltqualität ist vorsteinzeitlich. Im Endeffekt sind es Steine, die auf heißen Teer geworfen werden, was dem Fahren auf Kopfsteinpflaster nahe kommt und sehr hart für den Radfahrer und das Material sein kann. Just hier ist auch mein Gepäckträger gebrochen. Aber eben für solche Fälle sollte man immer gutes Klebeband dabeihaben.

Durch die Arbeiten an meiner Bachelorthesis hat sich mein Vorwärtskommen länger verzögert, als geplant. Hinzu kam, dass die Wetterlage in Louisiana, Mississippi und Alabama alles andere als gut lag.
Aus diesem Grund änderte ich meinen ohnehin weitgefassten Plan und beschloss meine Reise in Houston enden zu lassen und von dort nach Miami zu fliegen, um noch eine knappe Woche Ruhe zu haben, bevor es in den hohen Norden und die Wildnis von Kanada ging. Letzlich endete es damit, dass ich von Navasota mit dem Greyhound Bus nach Houston gefahren bin, um die Fahrt in das Moloch Houston zu umgehen.

Ein Erlebnis der ganz anderen Art ereignete sich am nächsten Tag: Da ich nur mit minimalstem Gepäck unterwegs war, wollte ich mir wenigstens ein paar Unterhosen und T-Shirts holen. Gegenüber meines Motels in der Nähe vom Flughafen befand sich eine Mall. Nach stundenlanger Schnäppchenjagd in dem weitläufigen Einkaufszentrum hatte ich dann alles beisammen und machte mich auf den Rückweg – An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass ich der Einzige Mensch war, der zu Fuß unterwegs war. In Amerika fährt man Auto – Immer und überall!
Als ich also über den riesigen Parkplatz wanderte, sprintete ein etwas abgewrackter Typ an mir vorbei. Sogleich folgte ein Security-Auto (In Amerika fährt man Auto! – Immer!). Der Versuch des Sicherheitsmannes die Jagd zu Fuß fortzusetzen scheiterte kläglichst.
Der offensichtlich flüchtende Kollege war schon über alle Ecken, als aus allen Himmelsrichtungen Polizeiautos angerast kamen. Wie im Film. Mittlerweile hatten sich schon einige andere Leute am Rande der Mall versammelt (Ich stand immer noch auf weiter Fläche…) und gestikulierten wild mit den Fingern um anzuzeigen wo der Typ hingerannt war. Nun, leider stand ich als einziger Mensch mitten auf dem Parkplatz rum, mit meinen Einkaufstüten.
Dies veranlasste einen der Polizisten mit Mach-1000 auf mich zuzurasen, mit quietschenden Reifen kurz vor mir zu halten und mich in nicht zu geringer Lautstärke aufzufordern: „Get on the ground!“ Mein Versuch ihm zu sagen ich bin der falsche ging in seiner nächsten unfreundlichen Einladung unter: „Get on the fuckin‘ ground, now!“
Okay. Einkaufstüten abstellen, runter auf den Parkplatzboden und im nächsten Moment kniete der Fast-Food-Gemästete amerikanische Polizist auf mir, um mir Handschellen anzulegen. Spätestens jetzt dachte ich mir: Überragende Story.
Wenigstens konnte ich mich jetzt kurz erklären. Glücklicherweise tauchte dann die bestohlene Ladenbesitzerin auf und attestierte meine Unschuld. Handschellen ab und zurück in die Freiheit. Keine Entschuldigung von Seiten der amerikanischen Gesetzeshüter, aber das war mir auch schon vorher klar.

Der Rest meiner Reise verlief dann glücklicherweise unspektakulärer. In Miami hatte ich eine wahnsinns Zeit mit den besten Leuten überhaupt. Wer gerne in Hostels geht: Ich kann das Tropics Hotel & Hostel in Miami Beach jedem ans Herz legen. 100m vom Strand, Swimming Pool und eine überragend gute Atmosphäre.

Von 30 Grad Celsius und tropischer Luftfeuchtigkeit stieg ich mit Winterstiefeln bewaffnet ins Flugzeug nach Whitehorse. Nach Umsteigedesaster, Verspätungen und einem kurzen Hotelaufenthalt als Entschädigung kam ich dann völlig zerstört, aber glücklich, am übernächsten Morgen in Whitehorse an.

Wir schreiben den 28. April 2013. Von da an waren es knappe 5 Monate, bis ich am 25. September in den Flieger nach Hawaii steigen sollte. Berichte über meine Zeit im Yukon folgen. Falls du irgendwelche Fragen oder Anregungen hast, lass es mich wissen.