Nachdem es zu Beginn meiner Reise einige Überwindung kostete wild zu campen, konnte ich mir schon nach nur wenigen Tagen nichts Besseres mehr vorstellen. Einmal in der isolierten Weite Australiens, hatte ich die Wahl überall und jederzeit mein Lager aufzuschlagen. Aufstehen mit Sonnenaufgang und Lagerplatz finden spätestens eine Stunde vor Sonnenuntergang. Das war mein Rhythmus.
Aufstehen, Frühstück Nummer eins. Strecke machen, mindestens 20, je nach Tagesform 50 Kilometer. Snackpause und weiter. Tankstellen, Ortschaften und Rastplätze waren die Stopps der Wahl. Neben reichlich Erdnussbutterbroten, konsumierte ich Unmengen an koffeingeladenen Milchkaffees, die in Tetrapacks daherkommen. Das höchste der Gefühle waren jedoch eisgekühlte Colas an einem heißen Tag…und mit durchschnittlichen Temperaturen von 40 Grad im Schatten (!) gab es genug Hitze. Besonders heiße Tage konnte ich daran erkennen, dass mehr Autos, als gewöhnlich anhielten und sich nach meinem Befinden erkundigten. Meist gab es ein Wasser oder eine Cola frisch aus der Kühlbox. Himmel auf Erden.
Ich erinnere eine Episode an der ich einen schwierigen und abartig heißen Tag im Sattel verbrachte. Ich fühlte mich platt und allein der Gedanke im nächsten Ort eine kalte Cola runterzuspülen ließ mich weiterpedalieren. Ich war noch eine knappe Stunde radeln entfernt als aus dem Nichts ein Pickup mit einer Bande Leuten auftauchte und mich zum anhalten brachte. Nach kurzem Erstaunen über mein Unterfangen und einer guten Portion Ungläubigkeit von der bereits zurückgelegten Strecke wurde ich mit einem kühlen Bier belohnt. Sicher eines der besten Biere, die ich jemals getrunken hatte. Mit der guten Laune der mobilen Partygemeinde und dem kühlen Bier in der Plautze war ich in Nullkommanix im nächsten Ort (dort würden auch meine neu gewonnen Freunde später wieder einkehren. Sie boten mir an in den Pub zu kommen, aber ich zog es dann doch vor ein wenig mehr Strecke zu machen). Eine kalte Cola, sowie ein wassergetränktes T-Shirt auf meinen Schultern und weiter ging die wilde Fahrt.
Wenn immer die Möglichkeit bestand, würde ich meine Haare und Klamotten nass machen. Im Fahrtwind machte das eine prima Klimaanlage. Nach maximal 10 Minuten war der Spaß aber wieder trocken, wie die Nullarbor.
Während des australischen Sommers weht der Wind zwischen Sydney und Perth in der Regel aus östlicher Richtung. Kommt er aus südlicher Richtung ist er etwas frischer und bringt meist kühleres Wetter, weht er aus nördlicher Richtung hat man absolut keine Freude. Aufgehitzt über der schier unendlichen roten Ebene des kleinen Kontinents, bläst es einem so abartig heiß um die Ohren, dass man denkt von einem gewaltigem Föhn geschmolzen zu werden.
Gute Motivation, um Strecke zu machen, war, sich an Rastplätzen zu orientieren. Als Pausenspott versuchte ich also immer mindestens bis zum nächsten Rastplatz zu fahren. Dann Essen und oft auch ein kleines Nickerchen am Straßenrand. An besonders heißen Tagen, schließlich war es ja der australische Sommer, hielten viele der wenigen Autos an und spendierten mir einen Drink. Ich trinke ja eigentlich nie Cola, aber nachdem mir nun beinahe täglich eine eisgekühlte Dose angeboten wurde, gab es bald keine schönere Erfrischung mehr, um den Motor am Laufen zu halten. Manch einer mag sich fragen, was ich Nahrungstechnisch im Gepäck hatte, schließlich gab es nur spärlich Supermärkte und die Essens-Preise an den abgelegenen Tankstellen wollte ich ungern bezahlen. Auf Platz eins steht bei mir, wie bei vielen anderen Radreisenden, Erdnussbutter. Meine Ergänzung der Wahl ist Honig. Nichts geht über ein Erdnussbutter-Honig-Sandwich, nichts! Außer einer eisgekühlten Cola im richtigen Moment. Natürlich waren kühle Getränke bei durchschnittlichen Temperaturen von 40 Grad Celsius das non-plus ultra. Wenn immer ich die Chance hatte ergänzte ich meine Brot-Snacks mit einem kalten, koffeingeladenen Milchkaffee, der in Australien in Tetrapackform daherkommt. Ergänzt mit Trockenfrüchten und wenn immer möglich frischem Obst war das meine Ernährung über den Tag. Lieben gelernt habe ich außerdem Nutrigrain-Cerelalien, was es unverständlicherweise nicht in Deutschland gibt. Ein Pack Milchpulver war auch immer dabei. Auf dieser Reise war es auch, da ich mein ideales Reiseabendessen entdeckt habe: Couscous und dazu eine Dose Thunfisch oder eine Ladung Käse. Couscous ist nahrhaft, lässt sich wunderbar verstauen, ist schnell zubereitet, günstig und benötig nur einmal kurz aufgekochtes Wasser. Das spart vor allem Kocher-Benzin.
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I had a lot of respect towards the treeless plain.
Der Respekt vor dem Abschnitt ohne Bäume war groß. Entsprechend groß war auch meine Anspannung vor und während der Durchquerung der Nullarbor. Rückblickend muss man allerdings sagen, dass das Gerede und die Geschichten und das Aufhebens um den rund 1200 Kilometer langen Abschnitt doch immer aufregender und respekteinflößender ausfallen, als tatsächlich angemessen. Vorausgesetzt man verfügt über gesunden Menschenverstand, ausreichende Kapazitäten um Wasser zu transportieren und eine realistische Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Solange man seine Kräfte sinnvoll einteilt, sparsam mit Wasser umgeht und wenn immer sich die Gelegenheit bietet Wasser auffüllt, wird man ohne zu verdursten die Nullarbor durchqueren. Die durchschnittliche Distanz von rund 100 Kilometern zwischen Roadhouses lässt sich mit dem Gedanken an Snickers und Iced Coffee ohne Probleme überwinden.
Nichtsdestotrotz spürte ich gegen Ende meines Ritts durch die Nullarbor, dass ich meinem Körper Alles abverlangt hatte. Bilder nach Abschluss dieses Teils der Reise verdeutlichen das nur zu gut. Aber was erwartet man auch anderes nach drei Wochen pausenlosen Fahrens und Camping. Ausgemergelt und ohne ein Gramm Fett auf den Rippen musste ich erstmal eine Weile runterkommen.
Und einen schöneren Ort dafür hätte ich mir nicht in meinen kühnsten Träumen ausmalen können: Der Cape Le Grande National Park östlich von dem beschaulichen Ort Esperance. Zuerst will ich aber noch auf die letzten Kilometer der Wüstentour eingehen…
Dank des stetigen Windes aus meist östlicher Richtung konnte ich gut Meter machen. Es waren zwar auch einige Gegen- und Seitenwindtage dabei, diese bescherten mir aber unüblich kühles bzw. bewölktes Wetter, was den Nullarborabschnitt unbeschwerlicher machte als zunächst angenommen. Die wenigen Verrückten (zwei Deutsche, natürlich!), die von West nach Ost unterwegs waren, klagten massivst über den Gegenwind und versuchten noch vor Sonnenaufgang ein paar unbeschwerte Meter zurückzulegen bevor der Wind auffrischte.
Einer der schönsten Momente für mich war zu realisieren, dass ich ohne unerwartete Zwischenfälle in 2-3 Tagen Norseman erreichen würde und damit das offizielle Ende der Wüste. Schon längere Zeit machte mir mein schwer beladener und über die Maßen abgefahrener Hinterreifen Sorgen. Tag für Tag ähnelte es immer mehr einem Slick, denn einem profilierten Radreifen. Und dann, entgegen aller Erwartungen, auf den letzten vermaledeiten 20 Kilometern der Strecke passierte es: Ein Platten. Natürlich am noch gut erhaltenen Vorderreifen. Ironie. Den Tag niemals vor dem Abend loben (und sag niemals nie!).
Gefühlte Tausend Grad am Straßenrand und blanke Nerven nach einem langgezogenen 50 Kilometer Sprint. Schließlich wollte ich an diesem Tag dieses Kapitel der Reise einfach abschließen. Aber sowas kommt von sowas. Wenn der Kopf schon woanders ist und man nicht den Moment lebt. Lektion gelernt. Natürlich erreichte ich Norseman trotzdem am selben Abend, allerdings zu späterer Stunde als ausgemalt. Während ich in einer Tankstelle ein eher unbefriedigendes Fish’n’Chips verdrückte, brach die Dunkelheit über mich herein. Ich musste also ein paar Meter aus dem Ort rausfahren und möglichst bald auf einen geeigneten Lagerplatz hoffen.
Immer etwas unbeghaglich in der Dunkelheit einen Platz zum Schlafen suchen muss. Vor allem in Australien, wo es von fiesen Getier nur so kreucht und fleucht. Wenige Minuten außerhalb der Ortsgrenzen, meinte ich ein geeignetes Plätzchen gefunden zu haben. Ein Waldabschnitt mit halbwegs gerodeten Wegen von Baumfällarbeiten. Ein bisschen durchs Unterholz, gut 200 Meter von der Straße war ich dann den Umständen entsprechend zufrieden und fiel schlagkaputt ins gemachte Nest.
Glücklich und endlich realisierend die Nullarbor tatsächlich bewältigt zu haben, wollte ich natürlich endlich wieder in zivilisiertere Gefilde vordringen. Esperance stand als nächstes an. Und dann bewerkstelligte ich doch tatsächlich zunächst mein Rad, dann mein Gepäck und zu guter Letzt beides(!) aus den Augen zu verlieren.
Nachdem ich am Vorabend mein beladenes Fahrrad über Stock und Stein bugsierte, wollte ich mir das Leben erleichtern und diesmal in zwei Gängen meine sieben Sachen in Straßennähe tragen. Idee gut, Ausführung mangelhaft. Zuerst die Packtaschen. Gut. Blöd wenn man auf dem Rückweg den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr findet. Wortwörtlich.
Eine Ewigkeit irrte ich umher und versuchte mein Rad wiederzufinden. In der Nacht, beziehungsweise jetzt am Tag, sah natürlich alles anders aus. Irgendwann entdeckte ich das gute Stück dann aber wieder. Jetzt zu den Packtaschen, das Rad beladen und ab die Post.
Einfacher gesagt als getan. Natürlich habe ich die Taschen nicht direkt an den Straßenrand gelegt, sondern an den Beginn der Böschung, etwas im Wald versteckt. Mist. Und wieder lief ich umher wie ein aufgescheuchtes Huhn, völlig von der Rolle und bereits Horrorfantasien ausmalend jemand könnte meine stinkenden Sachen und drei Dosen Thunfisch mit Couscous in sein Auto geworfen haben und davongedüst sein.
Aber Ende gut, Alles gut. Zu guter Letzt konnte ich mein Hab und Gut dann doch noch finden. Die gesamte Aktion zog sich beinahe zwei Stunden (!). Nochmal eine Stärkung und endlich, endlich konnte es losgehen!
Seitdem gehe ich immer auf Nummer sicher und nehme die Kompassmarschzahlen zur Hilfe, wenn ich weiß, dass ich mehrmals gehen muss und sich mein Lager weiter entfernt von der Straße befindet. Dumm ist, wer den gleichen Fehler zweimal macht ;). Die Lernkurve bei solchen Abenteuern ist steil, wie man sieht.
Jetzt konnte es aber endlich auf den finalen Abschnitt meiner Reise gehen. Oh und wie sehnte ich mich nach Erholung, Ausspannen, Nichtstun!
Mein nächster Stop war Esperance, 200 Kilometer von Norseman entfernt. Immernoch ein gutes Stück, aber für australische Verhältnisse nicht der Rede wert. Ich radelte soweit es ging in Richtung Esperance und hatte es am nächsten Tag dann nicht mehr weit, sodass ich zu einem verspäteten Frühstück den Supermarkt der Ortschaft erreichen konnte. Endlich konnte ich wieder die Fülle an Nahrungsmitteln genießen, die ich die vergangenen zwei Wochen so vermisst hatte. Frisches Obst!
Mein zweiter Stop war der Radladen. Mein übermäßig abgefahrener Reifen hatte nur noch eine papierdünne Schicht Gummi vorzuweisen. Dort traf ich auf Jean-Marc, der in entgegen gesetzter Richtung von Perth nach Sydney unterwegs war und somit noch angespannt die Wüste vor sich hatte. Er hing in Esperance fest, da er auf Ersatzteile für sein Fahrrad warten musste. Natürlich wohnte er im dortigen YHA Hostel, welches ich mir ebenfalls für die Nacht ausgesucht hatte und wir verabredeten uns für den Abend, um Tipps für die Weiterreise auszutauschen. Meine erste Nacht in einem richtigen Bett und mit einem Dach über dem Kopf über drei Wochen! Das fühlte sich ungewohnt an. Aber gut!
Der Rest meines Tages bestand darin ein wenig in Ordnung in meine sieben Sachen zu bringen und meinen Ausflug in den Cape Le Grand Nationalpark vorzubereiten. Am Abend versammelten sich die wenigen Bewohner des YHA und wir schauten gemeinsam Zombieland an. Hervorragende Comedy und auch für Nicht-Zombie-Liebhaber wie mich geeignet.
Jean-Marc und ich tauschten uns über unseren bisherigen Streckenverlauf aus und ich gab ihn letzte Ratschläge für seine Zeit in der Nullarbor. Wie bereits erwähnt kann man jedem nur raten alles auf die leichte Schulter zu nehmen, solange man stetig seine Wasservorräte auffüllt und sich seine Kräfte sinnvoll einteilt. Das Kopfkino im Vorraus ist unbegründet, solange man sich mit dem nötigen Respekt an die Herausforderung wagt.
Sehr früh am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zum Cape Le Grande Nationalpark mit einem letzten Stopp im Supermarkt und füllte meine Packtaschen so voll es nur ging. Ich wollte mindestens drei Tage dort verweilen, um Energie zu tanken und damit sich die 60 Kilometer Fahrt abseits meiner Hauptreiserichtung auch lohnten.
Selten war mein Rad so voll beladen wie an diesem Tag. Auf dem Weg zu den schönsten Stränden die ich jemals gesehen habe (und das kann ich auch jetzt noch sagen, nachdem ich unter anderem die hawaiianischen Inseln bereist habe!) passierte ich einige Landgüter und wie es das Schicksal so wollte traf ich an einer Auffahrt eine Anwohnerin, die ursprünglich aus Deutschland kommt und seit nun 25 Jahren ihr Leben in Australien verbringt.
Der Weg in den Nationalpark war traumhaft schön und eine willkommene Abwechslung für das Auge: Grüne Hügel und das Meer im Blick. Gerade diese Hügelchen aber, machten mir ganz gut zu schaffen und ich spürte jedes Gramm, das ich mit mir trug und jeden Meter, den ich in den vergangenen drei Wochen gefahren war. Mein Körper schrie nach Pause und Erholung. Um die Mittagszeit hatte ich es endlich geschafft und erreichte Lucky Bay, wo ich mir ein schönes Fleckchen für mein Lager aussuchte.
Der Platz war gut besucht und ich lernte sogleich meine Nachbarn auf Zeit kennen, die sich natürlich sofort für mein Abenteuer interessierten. Trevor aus Perth, der sich eine kurze Auszeit von seinem Job in Indonesien gönnte und Michael aus den Niederlanden, der in seinen 40ern das Leben lebt und als großer Australienfan die besten Spots zum Kitesurfen bereist. In jüngeren Jahren war auch schonmal mit dem Rad an der Ostküste Australiens unterwegs. Besser hätte ich es kaum treffen können!
Ein schönes Gefühl nun in der Position zu sein, von der erfolgreichen Durchquerung der Nullarbor berichten zu können. Träumen kann man schließlich viel, aber es tatsächlich zu machen und tatsächlich geschafft zu haben hat eben eine ganz andere Qualität. Jetzt waren es noch schlappe 1300 Kilometer. Plus/Minus. Den Berichten Jean-Marcs zufolge sollte es fortan entweder in Küstennähe oder durch ergrünte Landschaften mit einem schönen Ort nach dem Anderen gehen. „A walk in the park, really.”
Lucky Bay ist die Definition australischer Touristen-Fantasien. Und selbst das mag noch untertrieben sein. Das Wasser schimmert von türkis bis dunkelblau in allen Farbfacetten. Der Sand ist das Nächste zu schnee-weiß und die umliegenden Hänge sind gesäumt von kupferroten Felsen und grünen Bäumen. Das findet man sicher auch an anderen Küstenabschnitten, aber bitte wo findet man auch noch Kängurus am Strand?! Der absolute Wahnsinn und für mich kaum zu fassen.
Ich liebe diesen Ort und hoffe nochmal dorthin zurück zu kommen. Das war genau der richtige Platz um meinen geschundenen Körper wieder aufzupäppeln. Nach einem kleinen Wanderausflug zu den umliegenden Stränden von Little Hellfire Bay und Thristle Cove entdeckte ich einen kulinarischen Abschiedsgruß von Trevor, der zwischenzeitlich abgereist war.
Nach wundervollen Tagen in der prallen Natur, mit einsamen Traumstränden, Frühstück bei Sonnenaufgängen und Delfinen im kristallklaren Wasser, kehrte ich nach Esperance zurück. Dort verbrachte ich noch eine Nacht im mittlerweile einsamen Hostel, bevor ich weiter die west-australische Küste erkunden würde. Ein abschließendes Fish & Chips in einem hervorragenden Lokal war der ideale Abschiedsgruß, um am kommenden Tag den nächsten Abschnitt meiner Reise anzugehen.
Jetzt hieß es nicht einfach aufs Rad und los. Nein, ich musste mich richtig konzentrieren. Schließlich gab es wieder mehrere Routenoptionen die ich nehmen konnte. Über verschiedene “ups” (Mojingup, Dalyup, Coomalbidgup usw.) erreichte ich Ravensthorpe. Hier überlegte ich einen Abstecher in südlicher Richtung nach Hopetoun zu unternehmen. Aber es wäre wieder eine Sackgasse gewesen und irgendwie hatte ich doch Bock noch weiter Rad zu fahren, sodass ich mich gegen einen weiteren Ausflug entschied. Nächster Halt sollte das Albany YHA Hostel (LINK) und kurz darauf der Cosy Corner Beach (LINK, google maps) sein, der mir von mehreren Campern empfohlen wurde.
Seit Esperance kam es mir so vor, als kannte ich jeden der meinen Weg kreuzte. Einmal etwa, tuckerte ein Auto an mir vorbei und ich wurde mit einem lautstarken „hello my friend“ gegrüßt, aber ich konnte mich schon gar nicht mehr an die erste Begegnung erinnern, da ich tagein, tagaus so vielen herzlichen und interessanten Menschen begegne. Wie bereits erwähnt, das ist es was Reisen für mich ausmacht und genau das ist der Vorteil, den Alleinreisen mit sich bringt: Man lernt so viele Menschen kennen!
Als ich wieder mal ein Schild mit „Avocados“ am Straßenrand ausmachte, fuhr ich prompt die Einfahrt hoch und saß einen Moment später bei einem ausgewanderten Kiwi auf der Couch und erzählte ihm ein bisschen von meiner Zeit in Neuseeland und meinem Radtrip. Mit ein paar frischen Avocados und leckeren Früchtchen und wieder einer Bekanntschaft mehr, setzte ich meinen auf immer unvergesslichen Trip fort.
Als es wieder mal schweres gegen den Wind Treten angesagt war und ich das Radfahren gerade verdammte (auch das kommt vor) hielt ein altbekannter, kleiner, weisser Mietwagen am Straßenrand und mein Kitesurfender Freund Michael von Lucky Bay ließ sich blicken. Wir hatten einen guten Plausch und natürlich war er dem Wind ganz anders zugeneigt, als ich, schließlich ist er darauf angewiesen, um seinem Segel genügend Antrieb zu verleihen. Da er immer ein paar lockere Sprüche auf den Lippen hatte und jeden mit seiner Lebensfreude anzustecken vermag, fiel mir die anschließende Strampelei schon wieder viel leichter.
In Denmark gesellte ich mich zu zwei Taiwanesen, die so begeistert von meinen Berichten waren, dass Sie mir eine Flasche Wein aus Margaret River schenken wollten. Stattdessen schlug ich vor das gute Stück direkt zu genießen.
Albany ist ein beschaulicher Ort und abseits von Ausruhen und Pläne schmieden verbrachte ich meine Zeit mit einer Stadttour und etwas Sightseeing. Dass bedeutete ein wenig Rad fahren und viel spazieren. Ich genoss die Vorzüge der Zivilisation in vollen Zügen und es war schön wieder mehr Menschen um mich herum zu haben, auch wenn es sich langsam in die Länge zog meine Reisegeschichte zu erzählen.
Ebenfalls stockte ich meine Vorräte auf, um am nächsten Strand wieder für einige Zeit unabhängig zu sein. Viele schwärmten von diesem Ort, aber nach dem paradiesischen Erlebnis bei Esperance wollte ich keine zu hohen Erwartungen stellen. Ich nutzte den letzten Supermarkt hinter Albany und packte mal wieder alles ein, was ging. Plan waren aber nur zwei Nächte.
Nach lockeren 30 Kilometern von Albany erreichte ich die wortwörtlich gemütliche Ecke Cosy Corner. Es war Mittagszeit und obwohl ein paar Autos und Campervans parkten, war keine Menschenseele zu sehen. Die brütende Hitze lud zwangsweise zu einem Nickerchen ein. Ich musste jedoch erstmal mein Lager einrichten und vor allem: Essen! Es waren noch genügend gute Zeltplätze vorhanden und ich pickte mir ein feines Plätzchen heraus.
Von ursprünglich geplanten zwei oder drei Übernachtungen, verlängerte ich erst auf vier, dann auf fünf und „schaffte“ es schließlich nach acht (!) Nächten von diesem, meinem Paradies, loszureißen. Es war mein persönliches Hotel California. Nur ohne Tequila Sunrise. Aber mit vielen Sonnenauf- UND Untergängen. Da brauchte ich noch nichtmal mehr den Tequila.
Mein Tag bekam einen wunderbaren Rhythmus: Zum Sonnenaufgang, oder besser noch kurz davor, wachte ich auf und machte mich auf den Weg zu meinem Frühstücksspot. Ein dicker Felsbrocken am Strand den ich erkletterte. Mit Erdnussbutter, Honig und Brot im Gepäck hielt ich dort mein kleines Picknick ab, während ich den Sonnenaufgang bewunderte und die Delfine beobachtete, wie sie dem Strand einen kurzen Besuch abstatteten. Was kann man sich mehr wünschen?!
Ich lernte eine ältere Dame namens Melissa kennen, die mich in ihr Herz schloss und mir angeln beibrachte. Vormittags und abends gingen wir an den Strand und angelten gemeinsam. Und es lief wie am Schnürchen. Den Fisch bereitete sie dann in ihrem Wohnmobil zu und wir dinierten gemeinsam.
Ab und zu war ich auch zum Frühstück eingeladen und konnte frisches Obst genießen. Und wenn ich nicht zum Frühstück zu Besuch war, dann meist am Nachmittag auf einen Kaffee. Und Kuchen. Oder Kekse. Es war ein Fest.
Sofern ich nicht von anderen Campern eingeladen wurde, bekam ich das Essen geschenkt. Am Ende meiner Woche in Cape Le Grande, hatte ich die Packtaschen immer noch voller Nahrungsmittel, da ich kaum dazu kam selbst etwas zuzubereiten! Samt einem kleinem Lunchbeutel und sogar Angelzubehör von Melissa, Camille und ihrem Sohn, die auf einer mehrjährigen Australienrundreise sind. Eine tolle kleine Campergemeinschaft war aus uns geworden.
Den Rest meiner Zeit verbrachte ich mit ausspannen, schlafen und viel lesen. Nach ein paar Tagen aber hatte ich schon wieder Hummeln unter dem Hintern und wanderte zu den umliegenden Stränden, die ich alle für mich alleine hatte, da die meisten nicht mit dem Auto zu erreichen waren. Ein, zweimal stieg ich sogar aufs Rad und drehte eine Runde. Ohne Gepäck natürlich. Wer rastet, der rostet.
Doch irgendwann erreichte ich den Punkt weiter zu ziehen. Nicht zuletzt, weil ich zu einer festen Zeit in Perth sein musste, um meinen Rückflug nach Sydney zu bekommen. Als kleines Abschiedsabendessen gab es von Camille Känguru-Filet an Süßkartoffeln und Brokkoli. Welch eine Gaumenfreude!
So schwer der Abschied, so beschwingt stieg ich aufs Rad und nahm den letzten Abschnitt der Reise in Angriff. Rückblickend muss man sagen, dass nach dem Aufenthalt in Cosy Corner die Reise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Wenn ich auch noch viele Menschen kennenlernen und schöne Orte entdecken durfte, so hatte es den Hauch einer Ehrenrunde. Hängengeblieben sind mir auf den finalen Kilometern noch die Margaret River Region und der Ort Dunsborough. Abgesehen von der landschaftlichen Schönheit dieser Ecke, habe ich das Australien-Feeling dermaßen verinnerlicht, dass ich am liebsten dageglieben wäre. Erstmal nicht um weiter zu reisen, sondern um erstmal etwas zu arbeiten und dann weiter die Küste hochzuradeln. Und prompt kam ein Angebot um die Ecke. Im Worker-Hostel in Dunsborough wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte als Kellner in einem Cafe anzufangen. Ich hatte eine Nacht zum Nachdenken und habe mich dagegen entschieden. Noch oft frage ich mich, was wäre wenn? Aber ohne abgeschlossenes Studium zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung logisch.
Und dann, ja dann war ich schon fast in Perth. Aber es wurde nochmal abenteuerlich. Es ist nicht zuende bis es zuende ist. Nie! Noch 70 Kilometer bis Perth. Es ist ein gewöhnlich heißer Nachmittag an einer verkehrsreichen Straße. Blauer Himmel, weiter Seitenstreifen, glatter Belag. Was wünscht sich der Radreisende mehr? Ich fühlte mich richtig gut und machte schon Pläne noch am gleichen Tag nach Perth zu radeln, obwohl ich erst für den nächsten Tag ein Bett im YHA bekommen könnte. Ich schmiedete Pläne durchzuziehen, dann in den Zug zu steigen und wieder aus der Stadt rauszufahren um dann in einem Campingplatz abzusteigen.
Aber ich kam noch nicht mal in die Nähe diesen Plan in die Tat umzusetzen. Den Tag nicht vor dem Abend loben. Plopp. Mit diesem oder einem ähnlichen Geräusch verabschiedete sich mein Hinterreifen. Der Reifen wohlgemerkt. Das Gummiding um den Schlauch. Der Schlauch ist in der Regel betroffen, wenn der Reifen Luft verliert. Also, wenn man einen Platten hat. Aber das wäre das geringste Problem gewesen. Der Reifen warf eine Tennisball-große Blase und zerriss mir mit den wenigen, folgenden Umdrehungen sogar mein Schutzblech. (Seit jeher bin ich ohne Schutzbleche unterwegs…Das bisschen Regen). Nun denn, wo bekomme ich jetzt einen neuen Reifen her? Da taucht Jacob auf. Ein 75 Jähriger Engel an der Tankstelle in Form eines in Australien lebenden Holländers. Wir laden mein Rad in sein Auto, fahren 10 Kilometer zurück in einen Radladen, dessen Besitzer er sogar kennt. Ich bekomme einen neuen Reifen. Wir fahren zurück zur Tankstelle, ich sattele auf und kann meinen Trip tatsächlich fortsetzen. Ich habe dann tatsächlich noch zwei weitere Platten am gleichen Tag (Gelobt sind mir Schwalbe Reifen!), aber ich schaffe es dennoch bis auf 30 Kilometer an Perth heran.
Der nächste Tag verläuft reibungslos. Im Sausewind trägt mich die Vorfreude in die morgendliche Ruhe der wahrscheinlich entspanntesten Stadt der Welt. Vorbei. So plötzlich und ohne Pauken und Trompeten, wie es meistens ist bei solchen Reisen. Ein Ende zu finden ist immer schwer. Manchmal ist es einfach da. Einmal durch Australien. Einfach so vorbei. Auf Wiedersehen?! Definitiv.